Hand geerntete Bio-Baumwolle aus Uganda für Cotonea Produkte. Bild: Klaus Mellenthin
Die Textilindustrie steht in der Kritik, maßgeblich am Wandel des Klimas beteiligt zu sein. Reduziert sie ihre CO2-Bilanz nicht, steigen die Emissionen der Branche laut einer Studie vermutlich derart, dass sie bis 2030 das Doppelte der im Pariser Abkommen festgelegten Menge verursachen wird (McKinsey/Global Fashion Agenda, 8/2020). Jetzt legt eine neue Erkenntnis nahe: Baumwolle könnte der Weg zu einer klimafreundlichen Textilindustrie sein.
Die Baumwollpflanze wirkt sich auf dem Acker klimapositiv aus und absorbiert CO2 so stark, dass sie die darauf folgende Verarbeitung zum Baumwolltextil mehr als ausgleicht. Das hat kürzlich eine wissenschaftliche Arbeit von Kai Hughes (3/2021), Leiter des International Cotton Advisory Committee (ICAC), herausgestellt.
"Dass der ökologische Anbau weniger CO2 verursacht als der konventionelle, ist weithin bekannt", weiß Roland Stelzer, der als Geschäftsführer der Biobaumwoll-Marke Cotonea seit über 30 Jahren die Wissenschaft verfolgt. "Aber so eine phänomenale Bilanz fürs Klima ist auch mir neu."
Die Ursache liegt dem Bericht nach darin, dass die Baumwollpflanze zu fast 100 Prozent aus Zellulose besteht. Der Bildungsprozess von Zellulose ist maßgeblich für die Aufnahme von CO2. Laut der Untersuchung des ICAC verursacht die Produktion von Nylon im Vergleich zu sieben anderen Fasertypen am meisten Treibhausgase. Die Herstellung von Baumwolle verantwortet am zweitwenigsten. Nur die Flachsfaser soll das Klima noch mehr schonen.
"Das stimmt nur bedingt", relativiert Stelzer das Ranking. "Die Untersuchung lässt außen vor, dass die Flachspflanze für die Fasergewinnung chemisch aufgebrochen werden muss. Dieser energieintensive Verarbeitungsschritt fällt bei der Produktion von Baumwolle weg, was wiederum CO2 einspart."
Das Verhältnis mag absurd scheinen: Die Baumwolle, die für eine Fasermenge von 1.000g benötigt wird, absorbiert über 2.500g CO2. Für Cotonea bedeutet das, dass die Marke bei der Baumwollherstellung im vergangenen Jahr 1.260 Tonnen CO2 gebunden hat.
Doch der Klimawandel gehört zu den Umweltproblemen, die die klimapositiven Baumwollpflanzen gefährden: "In Uganda, wo eines unserer Baumwollanbau-Projekte liegt, beobachten wir seit fünf Jahren eine Verstärkung der Wetterextreme. Über die letzten drei Jahre stiegen die Regenmengen derartig an, dass die Gegend im Jahr 2020 auffällig hohe Ernteverluste verzeichnete."
"Den desaströsen ökologischen Fußabdruck der Modeindustrie verursacht größtenteils Fast Fashion aus synthetischen Materialien sowie Mischgeweben und der damit verbundene Wegwerfkonsum", so Stelzer. Für die derzeitigen Mengen auf dem Markt reichten die vorhandenen Anbauflächen nicht aus, würden sie aus Baumwolle hergestellt. Die Lösung sind haltbare Textilien aus Baumwolle.
"Wir schonen bei unseren Prozessen nicht nur das Klima, sondern nachweislich auch die der Artenvielfalt, die Bodenfruchtbarkeit, das Grundwasser, verzichten auf Pestizide sowie gentechnisch veränderte Organismen – und erfüllen viele weitere grundlegende Aspekte des Umweltschutzes und fairen Handels entlang der kompletten Lieferkette."