Das Märchen der durstigen Baumwolle – Fakten statt Mythen

15.01.25
Das Märchen vom durstigen Baumwollfeld – Fakten statt Mythen

Mit Schmelzwasser bewässertes Biobaumwoll-Feld in Kirgistan. © Cotonea Klaus Mellenthin

Seit Jahrzehnten verbreitet die Fast-Fashion-Industrie Mythen über Baumwolle und bezeichnet sie als "durstige" Pflanze, um erdölbasierte Alternativen zu rechtfertigen. Doch wie sieht die Wahrheit wirklich aus?

In diesem aufschlussreichen Beitrag teilt Roland Stelzer, Geschäftsführer von Cotonea, seine 30-jährige Erfahrung im Anbau von Bio-Baumwolle. Er entlarvt Irrtümer und zeigt nachhaltige Praktiken auf, die Wasser sparen und die Umwelt schonen.

Manche Industrien erzählen gerne Märchen, um ihre Produkte besser zu verkaufen. So hat uns die Erdölindustrie jahrzehntelang vormachen wollen, dass es keinen Zusammenhang zwischen fossilen Brennstoffen und der Klimaerwärmung gäbe. Ähnlich tischt uns die Fast-Fashion-Industrie gerne die Story der überdurstigen Baumwolle auf, um mit ihrer billigen, erdölbasierten Kunstfaser-Mode die Märkte zu überschwemmen.

Nach 30 Jahren Erfahrung mit dem biologischen Baumwollanbau wissen wir:

  • Die Baumwollpflanze, unabhängig davon ob konventionell oder biologisch angebaut, ist eine wassergenügsame, trockenheitsresistente und sonnenbedürftige Frucht. Sie muss praktisch nur während der ersten drei Wachstumsmonate trinken.
  • Der konventionelle Baumwollanbau verschwendet enorme Mengen an Wasser: Wenn nach wie vor Felder zur Bewässerung überflutet werden und damit das meiste Wasser nutzlos versickert, verdunstet oder durch Leckagen verloren geht, halten dieWasserstatistiken Phantomverbräuche fest.
  • Die Folgen dieses Missmanagements sind oft dramatisch, wie das Beispiel des Aralsees zeigt. Dieses einst riesige Gewässer ist weitgehend ausgetrocknet, weil staatliche Agrarbetriebe zur flächendeckenden Bewässerung von Ackerland, auch für Baumwolle jahrelang rücksichtslos Wasser aus den Zuflüssen entwendet haben.
  • Dabei braucht die Baumwollpflanze sogar weniger Bewässerung als die meisten Feldfrüchte, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:
  1. Richtiger Standort

    Baumwolle ist eine sehr wärme- und sonnenlichtliebende Pflanze. Nur während der Wachstumsphase von etwa drei Monaten verlangt die Baumwolle feuchten (keinen sumpfigen) Boden. Sobald die Kapseln offen sind, verschlechtern Feuchtigkeit oder gar Nässe die Qualität. Wie individuell und abhängig von den jeweiligen Bedingungen vor Ort jedes Wassermanagement aufgebaut sein muss, zeigen unsere beiden geografisch und topografisch sehr unterschiedlichen Biobaumwoll-Anbauprojekte:

    • In Uganda reicht die übliche Regenwassermenge übers Jahr verteilt vollkommen aus.

    • In Kirgistan dagegen regnet es weniger, dort nutzen unsere Bauern das Wasser aus der Schneeschmelze am Anfang der Wachstumsperiode, danach kommt der warme, für die Baumwollpflanze förderliche Sommer.

    Ob viel oder wenig Wasser: Gemeinsam mit den Baumwoll-Bauern kümmert sich Cotonea vor Ort um ein ressourcenschonendes Wassermanagement, das die lokalen Gegebenheiten berücksichtigt.
  2. Kluges Wassermanagement

    Dies meint eine gezielte Wasserversorgung, vor allem in der zehnwöchigen Wachstumsphase und durch Tröpfchenbewässerung. Mit dieser Technik lenken Bauern das Wasser verlustfrei an die Wurzeln, es geht kein Wasser durch Verdunstung verloren. Verantwortliches Wassermanagement müssen nicht nur die einzelnen Farmer umsetzen, sondern Regionen als Ganzes. Nur so werden vorhandene Wasserressourcen geschützt – anders als beim Aralsee und weiteren Regionen. Wird die Tröpfchenbewässerung präzise eingesetzt, vermag sie sogar wasserliebende Konkurrenzpflanzen einzudämmen – ohne Herbizide. Ein Vorbild dieser Bewässerungstechnik ist nach wie vor das trockene, wasserarme Israel, wo die Tröpfchenbewässerung entwickelt und bis heute äußerst effizient eingesetzt wird.
  3. Biologischer Anbau

    Ein zentrales Ziel des biologischen Ackerbaus ist ein lebendiger, humusreicher Boden. Humus enthält Mineral- und Nährstoffe, ist Lebensraum unzähliger Mikroorganismen und erhöht durch seine Struktur maßgeblich das Wasserhaltevermögen des Bodens (und darüber hinaus auch die CO2-Speicherfähigkeit). Diese größere Wasserspeicherfähigkeit des Biobodens lässt jede Pflanze längere Trockenzeiten aushalten. Gleichzeitig ist Humus nur als dünne und damit empfindliche Schicht des Bodens vorhanden. Humus wird von Bodenorganismen, insbesondere von Pilzen gebildet. Die konventionelle Landwirtschaft schädigt diese Pilze durch übermäßige mechanische Bodenbearbeitung sowie durch die Verwendung von Pestiziden und synthetischen Düngern. Letztere belastet darüber hinaus auch das Grundwasser. Ein weiterer wichtiger Aspekt des konventionellen Anbaus ist der dort eingesetzte Nitratdünger. Dieser erzwingt das Wachstum der Pflanzen, macht sie jedoch anfälliger für Krankheiten und erhöht den Wasserverlust durch Transpiration. Der höhere Wasserbedarf einer konventionell angebauten Baumwollpflanze lässt sich auch chemisch erklären. Wie jede Pflanze, braucht auch die Baumwollpflanze Stickstoff zum Wachsen. Aus der Verbindung von Stickstoff, CO2, Sonnenlicht und Wasser erzeugt die Pflanze Glukose und Sauerstoff. Beim konventionellen Anbau wird der Stickstoff im Wesentlichen durch Kunstdünger zugeführt. Beim biologischen Landbau ist es der Humus, der den natürlich in ihm vorkommenden Stickstoff verfügbar macht. Für diesen Aufschluss braucht die Biobaumwollpflanze genau halb so viel Wasser im Vergleich zur Versorgung mit synthetischen Düngern.

Zusammengefasst: Biologisch angebaute Baumwolle braucht nur die Hälfte des Wassers im Vergleich zur konventionell angebauten Baumwolle! Der Hauptgrund liegt im höheren Humusanteil und der damit verbundenen Fähigkeit mehr Wasser zu speichern und effizienter zu nutzen.